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  • Nils Havemann

Kein Vertrauen in die Demokratie? – Wo ihre „Feinde“ sitzen könnten


„Vertrauen in Demokratie nimmt laut Umfrage ab“, titelt die renommierte Wochenzeitung „Die Zeit“ auf ihrer Online-Seite. Denn einer Umfrage der Körber-Stiftung in Hamburg zufolge scheinen die Deutschen die Lust an dieser Herrschaftsform zu verlieren oder schon verloren zu haben. Rund 54 Prozent der Befragten hätten wenig oder fast kein Zutrauen mehr zu ihr. Nicht einmal zwei Jahre zuvor, im Herbst 2021, sei es hingegen „nur“ ein Drittel gewesen, das sich mit ihr kaum noch zu identifizieren vermochte.


Noch schlechter sei das Urteil der Befragten über die deutschen Parteien ausgefallen, die laut Artikel 21 des Grundgesetzes „bei der politischen Willensbildung des Volkes“ mitwirken. Nicht einmal neun Prozent hätten angegeben, ihnen noch zu vertrauen – weder der CDU noch der SPD oder irgendeiner anderen Partei, die im Bundestag vertreten ist. Immerhin habe dieser Wert 2021 noch bei 20 Prozent gelegen.


Man vermag sich lebhaft die sorgenzerfurchten Gesichter vieler Menschen vorzustellen, die diese Nachricht gelesen haben. Sie scheint zu beweisen, wie wichtig und richtig es ist, ständig vor den „Demokratiefeinden“ zu warnen, die längst aus den politischen Rändern bis zur „Mitte“ vorgedrungen seien. Vor allem geschichtsbewusste Zeitgenossen wird ein ungutes Gefühl beschlichen haben: Neigt etwa der Deutsche ähnlich wie Anfang der 1930er Jahre dazu, die Demokratie – die beste unter all den anderen schlechten Staatsformen (Winston Churchill) – zum Teufel zu wünschen? Sehnt er sich etwa wieder nach einer autoritären Herrschaft, die Schluss macht mit der oft langsamen, mühsamen Suche nach den erforderlichen parlamentarischen Mehrheiten? Soll es gar wieder ein einzelner „Führer“ richten, der mit harter Hand stramm durchregiert?


Diese Sorgen sind – zumindest bislang – nicht berechtigt. Im Gegenteil offenbart die Umfrage, wie beliebt die Demokratie eigentlich ist. Zwar stimmten 56 Prozent der Ansicht zu, dass zur Lösung der Probleme Politiker nötig seien, „die mehr Macht und Durchsetzungswillen haben, um schnell und durchgreifend Entscheidungen fällen zu können“. Doch gleichzeitig zeigten sich etwa 90 Prozent nicht bereit, auf ein Leben in Freiheit, auf freie Meinungsäußerung oder freie und geheime Wahlen zu verzichten. Diese vermeintliche Schizophrenie löst sich in einer zentralen Aussage auf, die immerhin 71 Prozent teilten: Repräsentanten aus Politik und Medien, die in den öffentlichen Diskussionen den Ton angeben, leben in ihren Blasen und schauen mit einer gewissen Herablassung auf den Rest der Bevölkerung.


Die Ergebnisse legen also den Schluss nahe, dass nicht das Vertrauen in die Demokratie abnimmt, sondern in die Art und Weise, wie viele ihrer führenden Köpfe sie vorleben. Sollte die Mehrheit der Befragten mit ihrem Urteil richtig liegen, ergibt sich daraus eine sensationelle Erkenntnis, die bislang kaum für möglich gehalten wurde: Die „Demokratiefeinde“ sind politisch nicht „rechts“ oder „links“ zu verorten, sondern „oben“! Ob das Bundesamt für Verfassungsschutz diese Möglichkeit bei ihrer wichtigen Arbeit gebührend berücksichtigt?

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