- Nils Havemann
Frauenfußball auf dem Vormarsch: Achtung, die Politik stürmt mit!

Am 20. August ist im australischen Sydney die Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen mit dem Sieg des spanischen Teams im Finale gegen England zu Ende gegangen. Obwohl das Ausscheiden der deutschen Spielerinnen in der Vorrunde eine Enttäuschung war, kann dieses Turnier zweifellos als eine große Werbeveranstaltung für den Frauenfußball gewertet werden. Vor allem die öffentlich-rechtlichen Sender gaben sich in ihren Live-Übertragungen und Nachrichtensendungen alle Mühe, die Spiele als ein sportliches Großereignis darzustellen, das den Vergleich mit der Fußball-Weltmeisterschaft der Männer nicht zu scheuen braucht. Was Leistung und Ergebnis der deutschen Teams anbelangt, haben sie damit richtig gelegen: Die Mannschaft um Bundestrainer Hansi Flick musste 2022 bei der Weltmeisterschaft in Katar ebenfalls schon nach der Vorrunde die Heimreise antreten.
Dass dem Frauenfußball mittlerweile eine derart große mediale Beachtung geschenkt wird, ist zweifellos ein gewaltiger Erfolg für die Damen. Gerade in Deutschland haben sie es lange Zeit schwer gehabt. Erst 1970 hob der DFB das anachronistische Verbot des Frauenfußballs auf. Dabei leitete ihn nicht die bessere Einsicht, sondern die Befürchtung, dass sich ein eigenständiger Frauenverband gründen könnte. Neben dem Verlust seines steuerlichen Privilegs der Gemeinnützigkeit fürchtete der DFB in seiner Geschichte nichts mehr als die Möglichkeit, seine Monopolstellung bei Organisation und Vermarktung dieses Sports streitig gemacht zu bekommen.
Aber selbst nach der offiziellen Zulassung des Frauenfußballs war das weibliche Geschlecht auf dem grünen Rasen noch viele Jahre beißendem Spott ausgesetzt. Wenn ARD und ZDF nun besonderes Engagement zeigen, um diesem Sport zu größerer Popularität zu verhelfen, dann liegt es vermutlich auch an einem schlechten Gewissen. Ihre sportjournalistischen Aushängeschilder wie „Die Sportschau“ und „Das aktuelle Sportstudio“ unter den damaligen Starmoderatoren Ernst Huberty und Wim Thoelke beteiligten sich an der verbreiteten Häme mit Interviews und Berichten, für die sie in den 1970er Jahren nicht nur unter den Machos der Republik amüsiertes Schenkelklopfen ernteten. Heute wären Journalisten, die sich etwas Ähnliches leisteten, spätestens 24 Stunden später fristlos entlassen und würden wegen „Sexismus“ „Diskriminierung“ und „Misogynie“ von einer medialen Empörungswelle erschlagen werden.
Die gestiegene Bedeutung des Frauenfußballs offenbart sich auch in dem erwachten Interesse von Politikern, über diesen Sport den eigenen Bekanntheitsgrad zu erhöhen oder ihr ramponiertes Image aufzupolieren. Im Männerfußball ist es spätestens seit den 1960er Jahren Sitte, dass sich Bundespräsidenten, Bundeskanzler und sonstige Persönlichkeiten von politischem Rang und Namen auf die Tribüne setzen, um sich beim Jubel über fulminante Tore und glorreiche Siege telegen in Pose zu werfen. In den letzten zwei Jahrzehnten lassen sie sich nun auch öfter bei wichtigen Frauenspielen blicken, um mit ihrer Präsenz ihre Forderung nach „Gleichstellung“ zwischen Mann und Frau vorzuleben.
Wie schon die Weltmeisterschaft der Männer in Katar erahnen ließ, als Innenministerin Nancy Faeser eine „One-Love“-Binde an ihrem Oberarm trug, gehen Repräsentanten der Ampelkoalition mittlerweile einen Schritt weiter. Während sich die Politprominenz in früheren Jahrzehnten allenfalls zu rein fußballerischen Themen äußerten, um Fachkompetenz auf diesem Gebiet anzudeuten, wird das Spiel heute zu politischen Gesten und Forderungen genutzt, die mit dem Geschehen auf dem grünen Rasen wenig bis nichts zu tun haben. Nun verlangte Bundesfrauen- und -jugendministerin Lisa Paus - ähnlich wie schon Bundeskanzler Olaf Scholz bei der Frauen-Europameisterschaft in England im letzten Jahr – eine konkrete Maßnahme, die gleichsam zum gesellschaftlichen Vorbild werden soll, um den oft kritisierten „Gender Pay Gap“ zu überwinden: eine bessere Bezahlung für Fußballerinnen.
Es lohnt sich nicht, sich über solche Forderungen zu ärgern, wie es viele in den „Social Media“ getan haben. Im Grunde muss man für solche Stellungnahmen dankbar sein – zeigen sie doch, wie leicht es mittlerweile geworden ist, politischen Verantwortungsträgern fehlenden wirtschaftlichen Sachverstand nachzuweisen. Denn selbstverständlich hat es seinen guten Grund, warum Weltfußballerin Alexia Putellas einen minimalen Bruchteil von dem verdient, was Weltfußballer Lionel Messi für seine Ballkünste einstreicht, warum sich die deutsche Nationalstürmerin Alexandra Popp im Vergleich zum deutschen Nationalstürmer Serge Gnabry wie eine bemitleidenswerte Almosenempfängerin ausnimmt: Das Interesse der Konsumenten am Männerfußball ist um ein Vielfaches höher; entsprechend geringer fallen die Einnahmen der Vereine und Verbände aus der Vermarktung der Frauenspiele aus.
Aber wissen Scholz und Paus tatsächlich nicht um diese simplen ökonomischen Zusammenhänge? Ist ihnen wirklich nicht klar, dass sie sich konsequenterweise auch dafür einsetzen müssten, dass Heino für seine Gesangsauftritte eine ebenso hohe Gage erhält wie Adele, dass Heiner Lauterbach für seine Filme ein ähnliches Honorar wie Julia Roberts kassiert und jeder Provinzdressman für einen „Walk“ ebenso fürstlich entlohnt wird wie Heidi Klum?
Daher bietet sich auch eine andere Erklärung als fehlende Wirtschaftskompetenz an: Der populäre Fußballsport wird dazu benutzt, um die Verwirklichung politisch-ideologischer Wertvorstellungen voranzutreiben. Dann befänden wir uns auf einem sportpolitischen Weg, den im 20. und 21. Jahrhundert bislang nur totalitäre Regime zielstrebig beschritten haben. Ob „linke“ oder „rechte“ Diktaturen: Sie trachteten oft danach, über den Sport ihre weltanschaulichen Grundsätze zu legitimieren und in den Köpfen der Menschen zu verankern.
So sehr den Spielerinnen das Salär ihrer männlichen Pendants gegönnt wäre: Sie sollten sich vor solchen politischen Umarmungen in Acht nehmen.