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  • Nils Havemann

Eine „Brandmauer“ gegen …? – Ein vergessenes Kapitel der CDU-Geschichte


Die CDU hat eine „Brandmauer“ gegen die AfD errichtet. Damit will sie zum Ausdruck bringen, dass für sie eine Zusammenarbeit mit dieser „extremistischen“ Partei zumindest auf Landes- und Bundesebene ausgeschlossen ist. Ob diese tapfere Haltung selbst im Falle eines weiteren Erstarkens der AfD auf Dauer durchzuhalten ist, wird sich zeigen: In Thüringen scheint die Brandmauer nun deutliche Risse bekommen zu haben. Wohl aber ist rekonstruierbar, warum dieser Brand am „extremistischen“ Rand des politischen Spektrums überhaupt entstanden ist: Die CDU hat ihre Brandmauer in Abgrenzung zu einer anderen „extremistischen" Partei schon sehr früh eingerissen.


Welche Brandmauer zu welcher anderen „extremistischen" Partei soll es da gegeben haben? Schauen wir zurück ins Jahr 1983, als die Grünen erstmals in den Bundestag einzogen. In der CDU/CSU-Fraktion herrschte damals große Freude darüber, die Wahl mit komfortablem Vorsprung gewonnen zu haben und die Koalition mit der FDP fortsetzen zu können, die sich im Herbst des Vorjahres gebildet hatte. Allerdings konnte sie ihren Verdruss über den Parlamentseinzug der Grünen kaum verhehlen, die sich als Alternative zum etablierten Parteienestablishment verstanden.


Im hohen Haus brach sogleich ein Streit über die Frage aus, ob diese seltsamen Gestalten, die als Abgeordnete mit Jeans, Pullovern und zotteligen Haaren die altehrwürdigen Honoratioren der anderen Parteien verschreckten, überhaupt irgendeines Amtes würdig seien. Bei der Vergabe des Postens des Bundestagspräsidenten und seiner drei Stellvertreter war es bis dahin Brauch gewesen, diese auf die vier Parteien CDU, CSU, SPD und FDP zu verteilen. Nun aber drängten auch die Neuankömmlinge zu den Töpfen repräsentativer Macht und lukrativer Versorgung. „Mit uns nicht“ war die einheitliche Haltung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im März 1983. Ihr Vorsitzender Alfred Dregger führte unter dem Beifall der Unionsabgeordneten aus, dass sich die Grünen erst einmal mit den guten Gepflogenheiten des Parlamentes anfreunden sollten, bevor sie mit der Leitung einer Sitzung betraut werden könnten.


Während dieser grüne Anspruch von Seiten der Union zunächst einmal abgebügelt werden konnte, ging es beim nächsten Wunsch der Öko-Partei aus Sicht der CDU/CSU-Abgeordneten um etwas viel Grundsätzlicheres: Die Grünen wollten in der Mitte des Plenums sitzen! Dass die SPD bereits Bereitschaft signalisiert hatte, diesem Wunsch zu entsprechen, rief großes Erstaunen hervor. Wenn die Sozialdemokraten nun auf einmal glaubten, dass links von ihnen nur noch die Wand sein dürfe, sei dies „ein Rückfall […] in ihre Position der 50er Jahre“, sagte Dregger – wieder unter dem Beifall der Fraktion. Da die Grünen nicht rechts von der FDP sitzen wollten, sie aber auch nicht zwischen der Unionsfraktion und der FDP toleriert werden könnten, blieb aufgrund der Nachgiebigkeit der Sozialdemokraten nur noch der Platz in der Mitte rechts von der SPD – und damit auch direkt links von der Unionsfraktion. Dregger war merklich unwohl bei dieser Vorstellung. Er beruhigte sich aber mit der Feststellung: „Unser Wunsch war es ja nur, daß es keinen Kanzler gibt, der von den Grün-Alternativen abhängig ist. Diesem Wunsche haben die Wähler Rechnung getragen.“


Der Chef der CSU-Landesgruppe, Theo Waigel, sah dies nicht ganz so gelassen. Er begann eine ebenso aufschlussreiche wie lebhafte Diskussion über die Verortung der Parlamentsneulinge im politischen Parteienspektrum: „Ich bin immer davon ausgegangen, daß die Grünen eigentlich links hingehörten, ganz nach außen. Oder rechts, selbstverständlich, auch das akzeptiere ich, weil im Grunde ihre Programmatik und wie sie sich als Bewegung darstellen, sie entweder ganz nach links oder ganz nach rechts gehören.“ Diese Aussage löste eine gewisse Verblüffung in der Fraktion aus, weil sich viele keinen Reim auf diese Aussage machen konnten: Die Grünen nicht nur als „extremistische Linke“, sondern auch als „extremistische Rechte“?


Nur gut, dass es neben Waigel einen weiteren Abgeordneten gab, der sich in Geschichte und Gegenwart ein wenig auskannte: Markus Berger, der das Statement von Waigel ausdrücklich unterstützte. Berger sprach sich dafür aus, die Grünen auf den „äußersten rechten Flügel“ zu verbannen, wo „sie eigentlich auch von ihrer Natur aus durchaus hinpassen, weil sie auch – wenn ich das so sagen darf – durchaus Berührungspunkte bis hin zu faschistischen Zügen in sich tragen“. Es war bedauerlich, dass er dies nicht weiter ausführte. Deswegen muss zum besseren Verständnis an dieser Stelle ergänzt werden, dass die Grünen tatsächlich keine rein linksextremistische, sondern auch eine rechtsextremistische Gründungsgeschichte hatten.


Bevor nun Missverständnisse aufkommen: Nein, die „Nazis“ waren nicht grün! Aber sie hatten während ihrer Herrschaft ihrer hässlichen braunen Grundierung einen kräftigen Grünton beigemischt, indem sie sich Umwelt- und Naturschutz ebenfalls auf ihre Hakenkreuzfahnen schrieben. Wie desaströs ihre Bilanz auf diesem Gebiet am Ende ausfiel, muss nicht näher erläutert werden.


Nur weil die Nationalsozialisten eine ideologische Neigung zu Natur und Umwelt hatten, sind die Grünen nun nicht gleich braun! Wohl aber haben sie sich einer braunen Herzensangelegenheit angenommen. Dies äußerte sich unter anderem darin, dass viele Anhänger der Grünen eine nationalsozialistische Vergangenheit hatten. Es seien an dieser Stelle lediglich zwei Grüne genannt, die in der Anfangsgeschichte dieser Partei eine exponierte Stellung einnahmen: Baldur Springmann und Werner Vogel gehörten einstmals der NSDAP an.

Die Diskussion in der Bundestagsfraktion endete im März 1983 mit der Erkenntnis, dass es sich bei den Newcomern trotz bräunlicher Einfärbungen um eine Partei von „Kommunisten“ handle, die unter „der Tarnkappe der Grünen jetzt Politik machen“ wollten. Sie seien „eine absolut anti-demokratische und anti-parlamentarische Bewegung“, mit der folglich jegliche Zusammenarbeit ausgeschlossen sei. Stefan Höpfinger brachte diese Auffassung innerhalb der Fraktion auf den Punkt: „Leute, die den Parlamentarismus ablehnen oder so behandeln, wie die Grünen es tun, die dürfen nicht in unsere Nähe gerückt werden.“ Klaus Hartmann ergänzte: „Wir haben die Grünen und Alternativen im Wahlkampf an den Rand des politischen Spektrums gestellt, weil ihr Verhältnis zur parlamentarischen Demokratie und weil ihr Verhältnis vor allem zum Gewaltmonopol des Staates diffus ist. Diese Bedenken gegen die Alternativen und Grünen von der Verfassung her bestehen fort.“


Es ist bekannt, was aus dieser einstigen Brandmauer der Union gegen die „antidemokratischen“ und „antiparlamentarischen“ Grünen geworden ist: Bereits Anfang der 1990er Jahre begann sie in Baden-Württemberg zu bröckeln, als der damalige CDU-Ministerpräsident Erwin Teufel eine Koalition mit ihnen nicht mehr ausschließen wollte. Nachdem sich die Grünen personell mehrmals gehäutet hatten und im Auftritt insgesamt staatstragender geworden waren, kam schließlich 2008 in Hamburg erstmals auf Landesebene eine schwarz-grüne Koalition zustande. Heute scheint diese Machtoption für die Union auf Bundes- wie auf Landesebene so selbstverständlich zu sein wie früher die Zusammenarbeit mit der FDP.


Übrigens: Bei der Bundestagswahl 1983 erhielt die Union 48,8 Prozent der abgegebenen Zweitstimmen. Um 2025 auf ein solch fulminantes Ergebnis zu kommen, müsste sie gegenwärtigen Umfragen zufolge zu ihren jetzigen Anhängern noch die komplette Wählerschaft der AfD für sich gewinnen.

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